UGeF – Unternehmung Gesundheit Franken

medintern: Wo sehen Sie ganz konkret den größten Nutzen für die Patienten und die Ärzte in Ihrem Netzwerk?

Dr. Joachim Mörsdorf: Die Patienten profitieren zunächst äußerlich vom besseren Kontakt der medizinischen Fachangestellten von Praxis zu Praxis. Der Termin zur Weiterbehandlung wird organisiert, die Dringlichkeit vorab nach objektiven wie subjektiven Gesichtspunkten zwischen Arzt und Patient besprochen, so eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden. Vor allem erlebt der Patient eine engagierte Betreuung, eine Mitarbeit aller Praxen im Interesse seiner Gesundung. Das gibt ihm die Sicherheit und das Vertrauen wieder, das ihm vorher durch seine Beschwerden und die damit verbundenen Sorgen und Ängste abhanden gekommen ist.

Nicht zuletzt trägt ein solches Sicherheitsgefühl auch zur schnelleren Gesundung oder zur Krankheitsakzeptanz bei.

Medizinische Fachangestellte der weiterbehandelnden Praxis werden in ihrer Verantwortung entlastet. Sie müssen bisher bei der Terminvereinbarung – allein auf die meist telefonischen Angaben des Patienten angewiesen – über Dringlichkeit und Ressourcennutzung entscheiden, Unsicherheiten, Fehler und unnötige Selbstzweifel sind vorprogrammiert. Jetzt können sie mit Kolleginnen oder überweisendem Arzt offen die Situation klären und die Entscheidung wird dem Patienten so vermittelt, dass er sie akzeptieren kann.

Ärzte können sofort auf Vorbefunde zurückgreifen, haben oft eine konkrete Fragstellung, so dass eine schnellere diagnostische Klärung und Therapieeinleitung möglich ist.

medintern: Franken hat über 4 Millionen Einwohner und Ihre Organisation circa 90 Ärzte als Mitglieder. Besteht bei dieser Größe nicht die Gefahr einer zunehmenden Anonymität?

Dr. Joachim Mörsdorf: Das wäre wirklich eine große Gefahr, denn Anonymität würde den Grundsätzen und der Entwicklung unseres Netzwerkes entgegen laufen. Wir arbeiten deshalb nicht an einer Vergrößerung unserer Mitgliederzahl, sondern an einer Verbesserung der Zusammenarbeit und an einer Intensivierung der Patientenbetreuung. Erst wenn diese Strukturen gut funktionieren, werden wir weitere Ärzte aufnehmen können und wollen, Sie können dann sozusagen in den schon fahrenden Zug einsteigen – vorausgesetzt, sie können sich mit dem Fahrtziel identifizieren und sind flexibel genug, sich in eine bestehende Gesellschaft zu integrieren.

medintern: Wie würden Sie die wichtigsten Meilensteine bis zur Gründung der UGeF beschreiben und worin lagen die größten Probleme?

Dr. Joachim Mörsdorf: Am Anfang stand ein unverbindliches Informationstreffen über neue Technologien zum Datenaustausch von Praxis zu Praxis. Aus der Idee, diese „technische Spielerei“ zu nutzen, entwickelte sich die Überlegung, ein richtiges Ärztenetzwerk aufzubauen sei die logische Konsequenz. Die erste Hürde war dann schon, wer ist bereit zum Engagement, und wie weiter entwickeln. Bei der Suche nach Ärztenetzen mit Vorbildfunktion und ihren Managern stießen wir auf mehrere kompetente Ansprechpartner und fanden schließlich mit Dr. Thomas Bahr von UGOM (Unternehmen Gesundheit Oberpfalz-Mitte) einen wertvollen Unterstützer für die gesamte Gründungs- und Aufbauphase, der uns in vielen Fragen beraten und motiviert hat. So konnten wir uns einige Umwege, Sackgassen und Fehlinvestitionen ersparen.

Wir dachten uns von Anfang an, nicht jeder müsse das Rad neu erfinden, und hatten den schönen Traum, da kommt jemand, der weiß, wie das mit dem Netzwerk geht, macht das für uns und alles ist in Ordnung.

Das war die vielleicht größte Hürde in der Anfangszeit, zu akzeptieren, dass ein Netz nicht von außen übergestülpt werden kann, sondern von innen entstehen muss. Sich dazu durchzuringen, die Verantwortung für das Gelingen in die eigenen Hände zu nehmen und jeden Gesellschafter zur Mitarbeit zu motivieren. Die Anfangsplanung, wir machen ein Angebot und wer möchte, kann es nutzen, wer nicht möchte, lässt es bleiben, war falsch.

Dagegen waren die technischen Probleme, z. B. Wahl der Gesellschaftsform (wir haben uns für eine GmbH & Co. KG entschieden), das Finden eines Steuerberaters und juristischen Vertreters (wir haben uns für eine Kanzlei entschieden, die bereits andere Ärztenetze betreut) verhältnismäßig leicht zu regeln.

Wir hatten uns eine Mindestgröße von 20 Ärzten als Startziel gesetzt; d. h., hätten weniger als 20 Ärzte bei der Gründungsveranstaltung den Mitgliedsantrag unterschrieben, hätten wir das Projekt fallen lassen. Es waren am ersten Abend 42 Unterschriften. Das hat uns stolz gemacht und motiviert, aber die große Zahl hat einiges an Mühe gekostet.

Der nächste Meilenstein war die Erstellung eines Wertekodex, der Grundlagen der Kooperation fixiert und die Verbindlichkeit der Netzvereinbarungen für die Mitglieder deutlich unterstrichen hat. So ist es uns gelungen, im Laufe der Zeit eine Weiterentwicklung zu erreichen von der Einstellung „Wir treten da mal bei, vielleicht bringt es ja etwas“ zu der Einstellung „Das ist unser Ärztenetz und wir kämpfen darum, es weiter zu entwickeln“.

medintern: Mit welchen strategischen Vorkehrungen sichern Sie die Überlebensfähigkeit der UGeF hinsichtlich unabsehbarer Risiken der Gesundheitspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung?

Dr. Joachim Mörsdorf: Wie Sie schon sagen, die Risiken der Gesundheitspolitik sind unabsehbar. Das Gesundheitswesen gilt allgemein als der Wachstumsmarkt mit den besten Zukunftschancen, gleichzeitig ist die Gesundheitspolitik wohl der Bereich mit der schlechtesten Kalkulierbarkeit.
Wir setzen darauf, dass ein starker regionaler Verbund von Haus- und Fachärzten für die Patientenversorgung unumgänglich wichtig ist und eine gute fachliche wie persönliche Versorgungsqualität bieten kann. Das ist die wesentliche Grundlage, um sich auch bei wandelnden Vorgaben der Gesundheitspolitik am „Markt“ behaupten zu können. Ganz gleich wie die Entwicklung weitergeht, wir werden immer ein ernst zu nehmender Gesprächs- und Verhandlungspartner sein, ein kompetenter Versorger für unsere Patienten. Und wir brauchen uns auch vor großen Unternehmen nicht zu verstecken.

medintern: Welche drei wichtigste Tipps möchten Sie Ihren Kollegen in anderen Regionen zur Gründung eines Ärzte- und Patientennetzes mit auf den Weg geben?

Dr. Joachim Mörsdorf: Zunächst benötigt man eine „Keimzelle“ mit wenigen aber engagierten Kollegen mit guten persönlichen Kontakten untereinander.
Setzen Sie die Anforderungen für Mitglieder ruhig hoch an. Wir haben mit der Vorgabe begonnen, ohne laufende Mitgliedsbeiträge auszukommen. Das würde ich nicht mehr machen; auch finanziell muss jeder zu einem Engagement bereit sein, um später die Früchte ernten zu können. Sie sichern sich eine finanzielle Grundlage und ein besseres Engagement.
Nutzen Sie die Erfahrungen anderer Netze und ihrer Manager und lassen Sie sich über die Startphase betreuen, auch wenn Sie dafür Geld ausgeben müssen. Es ist gut angelegt in der Entwicklung Ihres Netzes.

medintern: Was war die unangenehmste Erfahrung, die Sie machen mussten?

Dr. Joachim Mörsdorf: Mein Ziel war es, möglichst viele Ärzte der Region als Mitglieder zu haben. Daher war die Einstiegshürde sehr niedrig und wir haben uns bemüht, auf alle Wünsche oder besser Ängste vor Veränderung einzugehen. Das hat unsere Entwicklung gebremst, die Verhandlungsposition bei Krankenkassen geschwächt und letztlich eher Unzufriedenheit bei den Mitgliedern gebracht, sowohl bei den „schnellen“ wie auch bei den „langsamen“. Eine niedrige Hürde scheint es also nicht zu erleichtern, sich konsequent zu beteiligen. Jetzt verfolgen wir eine stringente Konsequenz und das scheint förderlicher zu sein, um Zögerer, Zweifler und Bremser schneller zur Entscheidung (pro oder contra) zu motivieren.

medintern: Verstehen Sie sich als „offene“ Organisation, d. h. sind weitere Ärzte auch zu einem späteren Zeitpunkt willkommen, bzw. ist ein nachträglicher Einstieg geschäftstechnisch überhaupt möglich?

Dr. Joachim Mörsdorf: Wir sind eine offene Organisation und die Möglichkeit zum Eintritt besteht. Allerdings sind wir in erster Linie unsere Organisation; d.h. wir erwarten, dass sich neue Mitglieder mit den Zielen, unserem Wertekodex, unserer Zusammenarbeit identifizieren können und zu einer schnellen Anpassung bereit sind. Wir verfolgen schließlich auch wirtschaftliche Interessen für unsere Mitglieder und werden dies bei Anträgen auf Mitgliedschaft berücksichtigen.

medintern: Wie haben Sie den Datenschutz geregelt und wie gehen Sie mit den Ängsten der Bevölkerung vor einer zentralen Krankenakte um?

Dr. Joachim Mörsdorf: Das war schon am Anfang eine wichtige Frage. Datenschutz und Schweigepflicht sind wesentliche und grundsätzliche Aufgaben in der Arztpraxis, daher kein neues Problem. Aber was ist, wenn die Daten die Praxis verlassen und sonst wo gespeichert sind? Der technische Datenschutz mag noch so gut sein, im Allgemeinen sitzt die Schwachstelle vor der Tastatur (siehe z. B. Kundendaten der sicheren Schweizer Banken auf CD).

Nach ausgiebigen Informationen haben wir uns für eine dezentrale Datenhaltung entschieden. Die Daten über den einzelnen Patienten bleiben jeweils in der Praxis des behandelnden Arztes; an den weiterbehandelnden Arzt werden nur die relevanten Teile weiter gegeben, wie es bisher auch schon mit dem Arztbrief geschehen ist. Über das Ärztenetz werden nur anonymisierte Auswertungen erstellt. Man könnte sagen, wir haben das bisherige System des Arztbriefes auf einer technischen Ebene als weiterentwickelte und automatisierte Form zur Verfügung.

Interview: Claudia Sarkady,
Redaktionsleitung medintern